Chronik der Gemeinde Baalberge
 

 

Eisenbahn und erste Industrie

Nach der Gründung der "Anhaltischen Eisenbahngesellschaft" im Jahre 1845 begann auch bald der Bau der Strecke Bernburg - Köthen mit der Station in Biendorf. Dazu treten Baalberger umfangreichen Landbesitz an die Eisenbahngesellschaft ab. Am 30. August 1846 erfolgte die feierliche Einweihung. Es verkehrten täglich drei Züge in beiden Richtungen. Erst mit der zweiten Strecke Calbe - Bernburg - Könnern erhielt auch Baalberge 1889 einen Bahnhof.

Postkarte mit Bahnhof

Bahnwärterhäuschen Bude 14

Im Zuge des weiteren Ausbaus der Eisenbahnstrecke mit einem zweiten Gleis siedelten sich auch immer mehr Industriebetriebe in der Umgebung an. Dem Schacht Solvayhall folgten Schächte in Peißen und Plömnitz. Weitere Anschlussgleise wurden bis zum Bahnhof Baalberge verlegt. Auch die Emil Hahndorf'sche Kiesgrube baute ein Anschlussgleis mit Brücke über die Fuhne. Bald stieß man auf gute Lettevorkommen und ab 1892 arbeitete hier eine moderne Dampfziegelei.

Eckhaus mit Türmchen auf der Kolonie

Direkt am Bahnhof entstand durch die Deutschen Solvaywerke eine Wohnkolonie, die 1909 nach Baalberge eingemeindet wurde. Auf Kleinwirschlebener Acker baute man dicht am Bahnhof eine Chemische Düngerfabrik, die bis 1928 Düngemittel aus natürlichen Rohstoffen produzierte. 1930 sprengten Reichswehrpioniere die Reste der Fabrik.

Chemische Düngefabrik

Nachzutragen wäre noch die Existenz einer Brennerei von 1868 bis 1877 auf dem Bauernhof der Familie Hermann Hahndorf und die Gründung einer Dampfmolkerei 1899 im Bauernwinkel.

Bereits 1858 wurde durch Carl Buchmann eine Ziegelbrennerei am Wiesigker Berg in Betrieb genommen, die wir noch als "Schmidt's Ziegelei" kennen. Aber auch die Bauern nutzten die guten Bahnverbindungen, um ihre produzierten Güter schnell und sicher an die Käufer zu bringen. Noch war die Landwirtschaft der wichtigste Broterwerb. Die elf großen Bauerngüter waren durch Ankauf in den Besitz der Familien Hahndorf, Reinicke, Bernecke, Körber und Körtge gekommen.

Auch das Leben im Dorf selbst wurde noch stark vom Rhythmus der Aussaat, der Pflege und der Ernte der Feldfrüchte geprägt. Eine Mühle gab es bereits in der Zeit der Goslarischen Herrschaft. 1722 errichtete dann Samuel Schmidt die alte Bockwindmühle auf dem Langen Berg. Sie fiel 1984 einem Brand zum Opfer.

Der Bauer Hermann Hahndorf ließ die heute noch stehende Turmwindmühle 1889 vor dem Ort in Richtung Bernburg erbauen.

Turmwindmühle

Die alte Dorfschenke "Zum schwarzen Bär" war viele Jahrhunderte hindurch ein weiterer wichtiger Treffpunkt der Baalberger. Sie lag neben Pfarrhaus und Dorfschule.

Mit Martin Müller beginnt 1614 die Reihe der nachgewiesenen Baalberger Lehrer. Schulneubauten an der Kirche (1870) und in der Umgehungsstraße (1903) wurden der ständig steigenden Schülerzahl gerecht.

Alte Schule an der Kirche

Weitere Gastwirtschaften entstanden 1872 durch Franz Spangenberg und 1899 durch Franz Meyer ("Zum Erbprinzen"). Während die Erstgenannte bis zum vergangenen Jahr bestand, wurde letztere bereits 1921 geschlossen.

Postkarte mit Dampfziegelei und Gastwirtschaft

Zum Abschluss sei hier an die alte Dorfschmiede erinnert. Das Haus war viele Jahrhunderte hindurch ein ,Freihaus", man nannte es auch "Speelhaus", was "Sprechhaus" bedeutet. Hier, wo der Bauernstein gestanden haben soll, wurde durch die Baalberger das Gemeindehaus errichtet. Erst später zog der Dorfschmied ein und 1701 ging es durch Verkauf an eine Privatperson über. Heute wurde das alte Schmiedehaus zum Wohnhaus umgebaut.

Ein weiteres Gemeindehaus war das Hirtenhaus. Hier wohnte der Gemeindehirte. 1853 wurde durch die Separation auch die Anstellung des Gemeindehirten abgeschafft und das Haus verkauft. Das alte Hirtenhaus steht noch immer an der Brunnengasse.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde wieder gebaut. An der Kleinwirschlebener Straße entstanden die ersten Siedlungshäuser. Dadurch wohnten 1927 in 220 Häusern bereits 1.424 Einwohner im Ort. Am oberen Ende der Siedlung entstand 1944 das Zwangsarbeiterlager. KZ-Häftlinge mussten jeden Tag vom Außenlager Leau hierher marschieren, um Teile für Flugzeugmotoren zu fertigen. Durch die Verteilung der Ausgebombten und der Flüchtlinge aus dem Osten stieg die Einwohnerzahl 1945 auf über 2.100 Personen. Am 17. April besetzten amerikanische Soldaten das Dorf, denen ab dem 1. Juli 1945 die sowjetischen Besatzungstruppen folgten. Nach den ersten schweren Jahren des Neubeginns wurde Baalberge ein sozialistisches Dorf.

Durch die Bodenreform ist der Besitz der drei Hahndorf'schen Familien, von Reinicke und Bernecke aufgeteilt worden. Es entstanden 62 Neubauernstellen und die Gartenanlage am Schneiderberg. Einige Neubauern erbauten mit Fördermitteln insgesamt 9 neue Häuser im Ort. Auf dem Langen Berg war eine ganze Bauernsiedlung geplant. 1960 traten die letzten Einzelbauern der acht Jahre zuvor gegründeten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft bei. Neben der Landwirtschaft fanden die Einwohner Arbeit in den beiden Ziegeleien, den nahen Solvay-Schächten und im ehemaligen Lager, das zu einem kommunalen Wirtschaftsunternehmen umgestaltet wurde (später Karosseriewerk).

Auch der Bahnhof Baalberge erfuhr eine Erweiterung. Täglich wurden viele Waggons, die mit Stein- oder Kalisalzen beladen waren, zu Zügen zusammengestellt und abgefertigt. Zusätzlich rollten Tag und Nacht Kipper mit Kies zwischen der Sandgrube und dem Bahnhof hin und her. Das Naturprodukt wurde für den Ausbau des Hafens in Rostock gebraucht.

Zersprungener Findling in der Sandgrube

Im Rahmen des Wohnungsbauprogrammes entstanden mehrere Wohnblocks in der Umgehungsstraße, im Ort selbst und hinter dem Sportplatz viele schmucke Eigenheime. In den achtziger Jahren erfolgte der Ausbau vieler Straßen, während 10 Jahre zuvor die Bereitstellung des Trinkwassers große Sorgen bereitete.

 

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